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Eine Kostprobe (S.3–4):

Die Mennoniten in Bayern

Der Sippenforscher steht vor der Aufgabe, die Namen, Lebensdaten und Sippenzusammenhänge der Vorfahren festzustellen. Will er sich aber nicht mit leblosen Kolonnen von Namen und Zahlen begnügen, muß er die Einzelschicksale im Zusammenhang mit der Geschichte ihrer Zeit betrachten, um ein lebensvolles Bild seiner Ahnen zu erhalten. Der Erforscher mennonitischer Familien steht vor einer doppelt schweren Aufgabe, denn Quellen für die mennonitische Familien­geschichte wie für die Geschichte des Mennonitentums überhaupt, sind nur in sehr geringem Ausmaß erhalten. Wenn eine Glaubensgemeinschaft wie die der Täufer m Deutschland fast durch drei Jahrhunderte die denkbar härteste Verfolgung zu erdulden hatte, ist es nur zu erklärlich, daß sie alle Spuren zu verwischen suchte, die sie ihren Verfolgern in die Hände spielen konnte. Vor allem in der Frühzeit sind deswegen Aufzeichnungen familiengeschichtlicher Art ent­weder unterlassen oder wieder vernichtet worden. Einzig aus Prozeßakten, also den eigentlichen Zeugnissen der Verfolgung, können wir heute noch über die Taufer des 16. Jahrhunderts und ihre Familien etwas erfahren.

Obwohl seit dem 19. Jahrhundert die Verfolgung aufgehört hat und die Mennoniten wenigstens in Bayern angewiesen waren, ihre Personenstandsverhaltnisse dem nächstliegenden Pfarramt anzuzeigen, stößt die Erforschung menno­nitischer Familien immer noch auf die größten Schwierigkeiten. Einer der Gründe ist die starke Fluktuation (Wanderung von Hof zu Hof) des mennonitischen Bevölkerungsteils; ein weiterer Grund sind die gehäuften Verwandtenehen, die teils der Erhaltung der Glaubensgemeinschaft dienen sollten, teils aus der starken Abgeschlossenheit dieses zahlenmäßig nicht großen Bevölkerungsteils sich ergaben. Von einigen Landesregierungen wurden die Verwandtenehen sogar obrigkeitlich angeordnet. Dazu kommt, daß die vorgeschriebenen Meldungen über die Personenstandsverhältnisse teilweise überhaupt nicht gemacht, teilweise nur in sehr mangelhafter Form registriert worden sind, und zwar deswegen, weil die Meldungen meist von Personen erstattet wurden, die über die Familien­verhältnisse nur wenig unterrichtet waren (Hebammen usw.). Ferner wußten die register­führenden Stellen – die Pfarrämter – über die mennonitischen Familien, die oft von der Dorfgemeinschaft isoliert wohnten, nur selten zutreffenden Bescheid, weil sie den Umgang mit den Andersgläubigen mieden.

Grundsätzlich ist aber festzustellen, daß die Mennoniten heute wie ehedem, so­wohl an der ereignisstarken allgemeinen Geschichte des Täufertums, als auch an der der täuferischen Einzelfamilien starken Anteil nehmen. Der mennonitischen Sippenforschung zu dienen ist der unmittelbare Zweck dieser ersten Veröffentlichung aus einer umfangreichen Stoffsammlung zur Geschichte der bayerischen Mennonitenfamilien. Darüber hinaus soll die sippenkundliche Erfassung einer aus demselben Volkstum hervorgegangenen, durch gleiches Brauchtum verbun­denen und unter sich eng versippten Volksgruppe auch ein Baustein sein zu dem angestrebten Endziel familienkundlichen Forschens,  zur Volksgenealogie.

Die Mennoniten (Anhänger des Menno Simons, der nicht der Gründer der Glaubensrichtung, Wohl aber einer der wichtigsten Wortführer war) sind unter verschiedenen Namen in die Geschichte eingegangen. Die Bezeichnung Taufgesinnte oder Täufer charakterisiert das Wesen der Mennoniten am zutref­fendsten. Der Allgemeinheit ist der Name „Wiedertäufer“, der ursprünglich als Spottname galt, am geläufigsten. Gerade dieses Wort trifft aber den Sinn der Tauferbewegung wenig. Die Täufer haben mit der Ablehnung der Kindertaufe und Einführung der Glaubenstaufe (Erwachsenentaufe) auf ursprüngliches aposto­lisches Brauchtum zurückgegriffen. Von einer „W i e d e r taufe“ als einem Grund­prinzip der Glaubensrichtung kann man nicht sprechen. Ein einmaliges geschichtliches Ereignis führte zur Prägung des Wortes. Revolutionäre und Freigeister wie Thomas Münzer wurden als Repräsen­tanten des Täufertums angesehen, obwohl geschichtlich erwiesen ist, daß Münzer kein Täufer war und daß ferner die Münsterischen Ausschweifungen nicht im Wesen des Täufertums lagen, sondern eben Auswüchse waren. Da der jahrhunderte­langen unmenschlichen Unterdruckung des Täufertums auch das täuferische Schrifttum mit zum Opfer fiel, konnten diese falschen Vorstellungen sich ungehindert behaupten und nur schrittweise bahnt sich jetzt die Wahrheit ihren Weg.

Auf andere Bezeichnungen der Taufer sei noch kurz verwiesen: Als Anabaptisten begegnen sie uns in Mandaten und im Schrifttum. Zwingli nennt sie Katabaptisten („In Catabaptisterium stropha Elenchus“). Ferner sind in einzelnen Gegenden noch andere Bezeichnungen aufgetaucht z. B. „Hutterische Brüder“ (Ge­meinde des Hutter in Mähren), die „Amischen Gemeinden“ (nach dem schweizeri­schen Ältesten Amann). Die südbayrischen Mennoniten entstammen vielfach Amischen Gemeinden. Diese haben besonders strenge Gemeindezucht gehalten (Häftler, d.h. die am Rock nur Haften Tragenden im Gegensatz zu den Knöpflern.) In Augsburg wurden die Täufer seinerzeit als „Gartenbrüder“ unter An­klage gestellt, weil sie wegen der Verfolgung zu ihren Gottesdiensten in Gärten, Kiesgruben,  in Kellern  und sonstigen Schlupfwinkeln zusammenkamen.

Die täuferische Bewegung entstand zur Zeit Zwinglis in der Schweiz. Einige seiner Mitarbeiter bestanden auf einer kirchlichen Gemeinschaft nach apostolischen Grundsätzen, zu denen wie erwähnt, auch die Glaubenstaufe gehörte. Zwingli ordnete seine Lehre dem Staate unter (Religionsgespräch vom 17. 1. 1525), die Täufer dagegen wollten von Anfang an ein kirchliches Eigenleben ohne mittelbare oder unmittelbare, aktive oder passive staatliche Beeinflussung. Trotz der Man­date, die seit 1526 immer wieder gegen die Täufer erlassen wurden, griff die Bewegung um sich. Am 5. 1. 1527 wurde der erste Täufer ertränkt, damit be­ginnt die mit viel Blut geschriebene Geschichte der Verfolgung des Täufertums, die immer wieder von Ertränken, Enthaupten, Verbrennen, Verschickung auf die Galleeren, Händeabhaken usw. zu berichten hat. Trotzdem breitete sich die Bewegung von Zürich aus über die übrigen Schweizer Kantone, über die österreichischen Erblande und Süddeutschland. Augsburg, das bereits am 23. 8. 1527 Schauplatz der sog. Märtyrersynode wurde, und Straßburg waren Mittelpunkte täuferischen Wirkens. Von dort aus faßte die Bewegung Fuß in Norddeutschland und 1530 in Holland. 1548 drang das Täufertum in Italien ein um 1551 nach dem Verrat des ehemaligen katholischen Priesters Don Petro Manelfi an die Inquisition ein jähes Ende zu finden. Wie stark der Anhang war, den das Taufertum im Volk gefunden hatte, beweisen die Zahlen der Verurteilungen. In Tirol wurden in zwei Jahren mehr als 700 Männer und Frauen hingerichtet oder des Landes verwiesen, in den Niederlanden wurden von 1530 bis 1597 nicht weniger als 1500 Mennoniten nach gemachtem Prozeß vom Leben zum Tod befördert, insgesamt sind über 4000 Todesurteile bekannt geworden. Im „Märtyrerspiegel" von T. F. v. Braght sind viele Märtyrerschicksale der Nachwelt überliefert worden. Auf der Augsburger Märtyrersynode waren alle führenden Täufer zusam­mengekommen, in ihrem Verlauf wurden alle täuferisch Gesinnten verhaftet, die Führer fanden fast alle den Tod. Nur zwei Führer blieben im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts am Leben: In Süddeutschland und in der Schweiz, Pilgram Marbeck, in Norddeutschland und Holland Menno selbst. Die holländischen Mennoniten wanderten unter dem Druck der Verfolgung in das Weichselgebiet ab, wo ihre Nachkommen heute noch sitzen. Die Täufer siedelten in den russischen Steppen,  in den amerikanischen Prärien,  im  brasilianischen Urwald  im Gran Chaco-Gebiet.

Das Herzogtum Bayern kann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, die Mennoniten am grausamsten verfolgt zu haben. Mit dem Mandat vom 15. 11. 1527 hatten die regierenden Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig den Täufern den Kampf aufs Messer angesagt nach dem Grundsatz: Alle Wiedertäufer sind mit dem Tod zu bestrafen, wer widerruft, wird geköpft, wer nicht widerruft, wird verbrannt. Die Früchte dieser „herzoglichen Haltung" waren 223 Täufer-Hinrichtungen in den Jahren 1527 bis 1581. Von 1587 ab wird es in Bayern still um die Mennoniten.

Nachdem im Fränkischen bereits 1770 die mennonitischen Gemeinden Bildhausen und Mönchshof bei Schweinfurt gegründet worden waren, die inzwischen in die Gemeinde Trappstadt übergegangen sind, kamen erst 1832, also nach 215 Jahren, wieder Mennoniten nach Bayern, gerufen von Kurfürst Max IV. Josef. Mennonitenfamilien kultivierten das Donaumoos und gründeten die Kolonie Maxweiler, wo sie ein eigenes Bethaus hatten. Diese Familien wanderten 1855 nach Amerika aus.